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Geändert: 26. April 2021, 13:45 Nutzer/in: Brigitte Stockinger-Hofer →
Ask the Boys, ask the Girls! Partizipation ist ein wesentlicher Baustein unseres pädagogischen Konzepts. Einerseits eröffnet gelungene Partizipation den Kindern und Jugendlichen Freiräume, ihre Lebenswelten freiwillig selbst zu gestalten. Wo sie in der Lage sind reife Entscheidungen zu treffen, sollen sie auch mitbestimmen. Andererseits sind Leiter*innen aufgefordert, einzugreifen und Grenzen zu ziehen, wo die Entscheidungssituation die Kinder und Jugendlichen überfordert. Die Kunst ist es, die Rahmenbedingungen so auszubalancieren, dass diese einen Raum für eigene Ideen schaffen und die nötige Unterstützung und Sicherheit bei der Umsetzung der Ideen gewährleisten.
Mitbestimmung (Partizipation, lat. partizipare = teilhaben, Anteil nehmen) bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen Entscheidungen, welche ihr Leben betreffen, durch Mitsprache mitgestalten können.
Ein selbstbestimmtes Leben zu führen ist ein Menschenrecht (vgl. Kinderrechte). Mitbestimmen will gelernt sein und braucht Übung. Die Kinder und Jugendlichen erlernen dabei schrittweise wichtige Kompetenzen, welche zwei Entwicklungsaufgaben umfassen, nämlich Mitbestimmung und das Vertreten der eigenen Meinung. Partizipationsprozesse unterstützen die Persönlichkeitsentwicklung. Kinder und Jugendliche lernen, wie in Kleingruppen Entscheidungen getroffen werden, welche von allen mitgetragen werden. Dies stärkt das Demokratiebewusstsein und motiviert sie, ihre Lebenswelt aktiv und eigeninitiativ mitzugestalten. Gleichzeitig erwerben sie wichtige soziale Kompetenzen und die Erfolgserlebnisse stärken ihr Selbstvertrauen.
WAGGGS und WOSM betonen in diesem Zusammenhang, dass LeiterInnen Verbündete der Jugendlichen sind, die sie zur Teilhabe und Mitgestaltung an der Gesellschaft motivieren und befähigen. So können die Jugendlichen altersgerecht erfahren, wie sie einen kreativen Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten können.
Wenn du die Beschreibungen zur Entwicklungsaufgabe "Eigene Meinung" für alle vier Altersstufen liest, wirst du erkennen, dass die Lernschritte aufeinander aufbauen.
Im Bereich der Entwicklungsaufgabe "Mitbestimmung" werden vielfältige soziale Kompetenzen erworben. Die Lernschritte im Bezug auf Partizipation bei den Wichteln und Wölflingen sind die Grundlage, auf der Partizipation bei den Guides und Spähern aufbaut, usw.
Mehr dazu findest du im Kapitel zu den Entwicklungsaufgaben.
Alles will gelernt sein: "Gut zu Entscheidungen zu kommen" (Prozess) und "gute Entscheidungen zu treffen" (Ergebnis). Mit der Reifung des Gehirns und den zunehmenden kognitiven und sozialen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen wächst auch der Umfang der Mitbestimmung bei den PfadfinderInnen. Partizipation braucht Übungsmöglichkeiten, denn die Fähigkeit zur Mitbestimmung wächst mit der Erfahrung.
Einen wichtigen Übungsraum für Mitbestimmung bietet das Element Teamsystem der PfadfinderInnenmethode. Wir arbeiten bei den PPÖ mit verschiedenen Sozialformen. Jede bietet gute Übungsräume für Mitbestimmung: Peer Group (Patrulle), Interessensgruppen und Großgruppe. Aber Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen ist auch auf Ebene der PfadfinderInnengruppe, des Landesverbandes (Landesjugendrat) oder des Bundesverbandes (Bundesjugendrat) möglich und erwünscht.
Die "Leiter der Partizipation" von Roger Hart (siehe Abbildung) beschreibt die unterschiedlichen Level von Mitbestimmung, wobei der Grad der Einbindung der Kinder und Jugendlichen in den Entscheidungsprozess schrittweise zunimmt. Die ersten drei Stufen sind nicht-partizipativer Natur. Diese solltest du vermeiden, da sie unseren Werten nicht entsprechen. Die Stufen vier bis acht sind Gelegenheiten echter Partizipation. Die aufeinander aufbauenden Stufen können von den Kindern und Jugendlichen je nach Reife, Kompetenz und Umfang des Themas bewältigt werden.
8. Begleitung | Von Jugendlichen initiiert, geteilte Entscheidungen mit LeiterInnen; Projekt wird von den Jugendlichen eigenständig geplant und durchgeführt, LeiterInnen werden ggf. von ihnen als ExpertInnen beigezogen (bspw. RaRo Projekt). | |
7. Laissez-faire | Von den Kindern und Jugendlichen allein initiiert und durchgeführt; von der Patrulle oder Runde selbst gestaltete Zeit, LeiterInnen unterstützen ggf. bei der Definition des Rahmens (bspw. Lagerfreizeit). | |
6. Kooperation | Der Anstoß für eine Aktivität kommt von den LeiterInnen, Entscheidungen und Planung der Aktivität erfolgen durch Kids und LeiterInnen gemeinsam (bspw. GuSp Patrullenaktion, CaEx Unternehmen). | |
5. Beteiligung | Die Aktivität wird zwar von den LeiterInen geplant, aber die Kinder und Jugendlichen werden bei allen wichtigen Entscheidungen einbezogen (bspw. das Thema für eine Heimstunde wird von den Kids ausgewählt, welche dann von den LeiterInnen vorbereitet wird). | |
4. Information | Die Aufgabe ist fremdbestimmt, aber Kinder und Jugendliche wissen über die Ziele Bescheid und leisten einen echten Beitrag (bspw. Kids bekommen den Auftrag, für den Gruppenflohmarkt Kerzen zu gießen). | |
3. Scheinpartizipation | Kinder und Jugendliche dürfen zwar (symbolisch) ihre Meinung kundtun, aber dies hat weiter keine Konsequenzen. | |
2. Dekoration | Kinder und Jugendliche wirken bei einer Veranstaltung von und für Erwachsene mit, wissen kaum worum es geht und sind bei der Organisation des Anlasses nicht beteiligt. | |
1. Manipulation | Fremdbestimmt und nicht informiert. Kinder und Jugendliche werden von Erwachsenen für Erreichung eigener Ziele verwendet, ohne sie über diese fremden Ziele aufzuklären. |
Tatsächlich gibt es noch eine 9. Stufe auf der Partizipationsleiter, nämlich die Selbstorganisation. Diese ist Gruppen von Erwachsenen vorbehalten, die keine pädagogische Betreuung mehr brauchen. Selbstorganisation leben wir bspw. in den Landesjungendräten und dem Bundesjugendrat oder im Gruppenrat.
Es wurde schon erwähnt: Partizipation muss geübt werden. Deshalb ist es sinnvoll, vielfältige Partizipationsformen zu nutzen. Du kannst Kinder und Jugendliche sowohl geplant als auch spontan am Programm mitbestimmen lassen.
Die Auswahl aus den zahlreichen partizipativen Möglichkeiten sollte sich an den Wünschen und Interessen aller am Partizipationsprozess Beteiligten orientieren. Besteht kein Anliegen ans Thema, d.h. ist den Kindern und Jugendlichen das Thema nicht wichtig, dann wird die Mitbestimmungsmöglichkeit kaum als Chance wahrgenommen und die Ergebnisqualität ist zweifelhaft. Bei anspruchsvolleren Themen ist es daher notwendig, dass du das Thema altersgemäß aufbereitest, so dass deine Kinder oder Jugendlichen einen persönlichen Zugang zum Thema finden können und ihnen Mitbestimmung zum Anliegen wird.
Die meisten Kinder und Jugendlichen wissen, was sie wollen und kennen ihre eigenen Interessen. Doch manchmal fällt es ihnen schwer, ihre Wünsche zu artikulieren und dafür einzutreten. Dies fällt leichter, wenn jeder Einzelne darauf vertrauen kann, dass die Gemeinschaft gut miteinander umgeht. Achte darauf, dass die Gemeinschaft die Anliegen aller Mitglieder ernst nimmt und achtsam damit umgeht. Das sollen die Kinder und Jugendlichen sowohl während des Programms erleben, als auch durch das Leitungsteam vorgelebt bekommen.
Eine wichtige Bedingung für gelungene Partizipation ist dein Wille, sie zu ermöglichen. Insbesondere GuSp- und CaEx-Patrullen sind keine unabhängige Peer-Group, sondern stehen als formelle Gruppe in Abhängigkeit zum Leitungsteam. Dein Respekt für die Sichtweisen der Kinder und Jugendlichen ist daher ebenso Voraussetzung für gelungene Partizipation, wie dein authentischer Wille, auf die Bedürfnisse der Kids einzugehen und die Entscheidungen der Kids mitzutragen. Es besteht also ein enger Zusammenhang mit deinem Leitungsstil. Der Spielraum, den du den Kids für ihre Mitsprache einräumst, wird dabei durch zwei Dimensionen begrenzt: Rahmen und Inhalt.
Die Chance für gelungene Partizipation ist dann am höchsten, wenn du als LeiterIn den Rahmen ausreichend klar vorgibst, aber möglichst viel Freiheiten lässt, was die Inhalte angeht (vgl. WOSM Youth Involvement Toolbox). Begründung: Vorgaben den "Rahmen" betreffend geben den Kinder und Jugendlichen die nötige Sicherheit und Orientierung, um in den "Inhalten" initiativ und kreativ zu werden. Dieses Leitungsverhalten entspricht in Beziehungen mit pädagogischer Absicht einem kooperativen, partnerschaftlichen Führungsstil.
| | RAHMEN | |
| Vorgaben durch LeiterIn | KEINE Vorgaben durch LeiterIn | |
INHALT | Vorgaben durch LeiterIn | Gefahr der Bevormundung, fehlende Möglichkeit zu Initiativen | Tendenz zur Manipulation bzgl. Inhalt |
KEINE Vorgaben durch LeiterIn | Idealraum für Partizipation = Kooperativer, partnerschaftlicher Führungsstil | Laissez-faire, fehlende Orientierung |
Mitbestimmung ist sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für uns LeiterInnen herausfordernd. Fast ape ist ein Werkzeug, das dich unterstützt Partizipationsprozesse gut zu begleiten. Fast ape ist die Abkürzung für die 4 Dimensionen von Rahmen und Inhalt (F = Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen, a = Athmosphäre in der Kleingruppe, s = Strukturen, die Mitbestimmung erleichtern (bspw. Gesprächsreglen, Themenliste), t = Thema) und die 3 Schritte eines Partizipationsprozesses (A = Ausgangslage der Kleingruppe einschätzen, p = Prozess gestalten, e = Evaluieren der Qualität des Prozesses). Ursprünglich wurde das Werkzeug für die GuSp-Arbeit entwickelt, jedoch ist es für alle Altersstufen hilfreich. Insbesondere erleichtert es die Planung, Durchführung und Reflexion von Partizipationsprozessen:
Das Fast ape Werkzeug findest du im GuSp Grünton "Partizipation - Kids reden mit"
Quellen
Weiterführendes