Fachwissen für LeiterInnen

Führungsverhalten

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Geändert: 23. April 2021, 14:24   Nutzer/in: Brigitte Stockinger-Hofer  → Nutzerbild von Brigitte Stockinger-Hofer

Führungsverhalten (Begleitung von Kindern und Jugendlichen)

Als Leiter*in hast du die großartige Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung zur Seite zu stehen. Mit deinem Führungsverhalten kannst du einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg dieser Entwicklung leisten. Ganz wichtig ist zu verstehen, dass es bei Führung nicht ums Entscheiden und Anweisungen geben geht; das kann jedes Kind. Es geht ums Fördern, Coachen, Entwickeln individueller Stärken, empathisches Verstehen und Unterstützen. Tolle Führungskräfte fallen nicht vom Himmel, sondern entwickeln ihre Fähigkeiten durch Training. In deinem Training unterstützen dich dein Stufenteam, deine Gruppenleitung, der Gruppenrat und die Mitarbeiter*innen der Ausbildung. Die gewonnenen Fähigkeiten kannst du über die Pfadfinder*innen hinaus in Führungsfunktionen nutzen.

Definition

Führung stammt vom althochdeutschen Wort "fuoren", einer Form des Wortes "fahren", und bedeutete ursprünglich "fahren machen" bzw. etwas weniger holprig ausgedrückt "in Bewegung setzen". Diese Bedeutung ist auch heute noch im Begriff Führung enthalten: Wer führt, setzt andere Personen in Bewegung, leitet sie zu Aktivitäten und bestimmten Verhaltensweisen an.

Unter Führungsverhalten wird dabei jedes sozial akzeptierte Verhalten verstanden, das die geführte Person so beeinflusst, dass sie ihre Aufgaben erfolgreich bewältigt und ein bestimmtes Ziel erreicht.

Merkmale

Führungsverhalten ist von drei Merkmalen geprägt:

  • Beeinflussung: Durch das Führungsverhalten soll ein bestimmtes Verhalten bei der geführten Person erzeugt werden.
  • Akzeptanz: Die Geführten akzeptieren die Beeinflussung durch die Führungskraft. Fehlt die Akzeptanz, handelt es sich nicht um Führung, sondern um Manipulation oder Zwang. Aktiver und passiver Widerstand sind die Folge. Kommunikation auf Augenhöhe, Verbindlichkeit, Transparenz und Vertrauen sind wichtige Voraussetzungen für Akzeptanz.
  • Intentionalität: Das Führungsverhalten dient der Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Für dich als Leiter*in heißt das vorrangig, dass du Verhaltensweisen setzt, die die Kinder und Jugendlichen dabei unterstützen, ihre Entwicklungsaufgaben zu bearbeiten.

Führungsstile

Es gibt sehr viele verschiedene Theorien zu Führungsstilen. Eine der bekanntesten und ältesten ist jene des Sozialpsychologen Kurt Lewin (1890–1947). Er unterscheidet die folgenden drei Führungsstile.

Autoritäre Führung

Merkmale:

  • Autokratie: Alle Aktivitäten der Gruppe werden von der Führungskraft bestimmt. Die Leitung gibt Befehle und Kommandos (etwa 60% der Tätigkeit).
  • Verantwortlichkeit: Die Führungskraft übernimmt für alle Handlungen der Gruppenmitglieder die volle Verantwortung.
  • Distanz: Die Haltung der Führungskraft ist der Gruppe gegenüber eher freundlich aber auch unpersönlich.
  • Intransparenz: Den Kindern bzw. Jugendlichen ist ihr zukünftiges Tun und das Warum von Entscheidungen meist nicht bekannt.

Vorteile:

  • schnelle Handlungsfähigkeit
  • klare Verantwortlichkeiten
  • Disziplin

Nachteile:

  • Demotivation
  • wenig Eigeninitiative
  • kein Platz für Kreativität
  • hoher Aufwand und hohe Belastung für die Führungskraft und dadurch höhere Fehleranfälligkeit
  • starke Abhängigkeit von der Führungskraft
  • Aggressionen werden verstärkt

Bei wissenschaftlichen Versuchen zeigen Gruppen, die rein autoritär geführt werden, eine verminderte Vielfalt an Verhaltensweisen und Äußerungen. Teilweise werden aggressive Tendenzen beobachtet, sofern sie nicht von der Führungskraft unterbunden werden. Die Aggression ist dabei hauptsächlich gegen Gruppenmitglieder, seltener gegen die Leitung gerichtet. Unterdrückte Feindseligkeiten richten sich zum Teil gegen schwächere Gruppenmitglieder. Spontanität und Kreativität in den Gruppen sind meist eingeschränkt, gearbeitet wird nur auf Anregung der Führungskraft. Wörter wie "ich", "mein" und "mir" dominieren vor "wir" oder "unser" (82 % des Sprachverhaltens sind ich-bezogen). Ist die Führungskraft nicht anwesend oder kommt sie zu spät, dann nimmt die Arbeitsaktivität erheblich ab oder wurde nicht aufgenommen.

Aufgrund seiner Vorteile eignet sich der autoritäre Führungsstil besonders für Krisensituationen.

Demokratische Führung

Merkmale:

  • Transparenz: Die Führungskraft gibt der Gruppe einen Überblick über die Gesamttätigkeit und das Ziel.
  • Mitbestimmung: Entscheidungen werden in der Gruppe diskutiert und gefasst.
  • Persönlicher Freiraum: Jede*r kann mit wem er*sie will zusammenarbeiten, die Aufgabenverteilung unterliegt der Verantwortung der Gruppe.
  • Gleichberechtigung: Die Führungskraft versteht sich als richtiges Gruppenmitglied (ohne sich allerdings besonders an der Arbeit zu beteiligen, nur 25%).
  • Nähe: Die Führungskraft unterstützt und ermutigt aktiv die Gruppenmitglieder. Die Leitung ist zu persönlichen Gesprächen mit den Kindern bzw. Jugendlichen über ihre Probleme bereit.

Vorteile:

  • hohe Motivation
  • hohe Eigeninitiative
  • Kreativität wird gefördert
  • Führungskraft ist entlastet
  • angenehmes Arbeitsklima
  • gute Leistungen

Nachteile:

  • hoher Kommunikationsaufwand
  • hoher Zeitaufwand

Demokratisch geführte Gruppen zeigen bei Untersuchungen ein höheres Maß an kreativen Verhaltensweisen und konstruktiven Arbeitsergebnissen. Die Atmosphäre ist entspannter und die Gruppenmitglieder sind zufriedener. Feindseligkeiten sind seltener, einzelne Gruppenmitglieder werden nicht zu Sündenböcken abgestempelt. Es bilden sich stabile Untergruppen, deren Arbeitsergebnisse weitgehend optimal sind. Die Gruppen arbeiten auch dann, wenn die Führungskraft den Raum verlässt oder zu spät kommt. Schwierigkeiten werden von der Gruppe gemeinsam bewältigt, und es wird nicht versucht, eine einzelne Person dafür verantwortlich zu machen.

Laissez-faire-Führung

Der Begriff "laissez-faire" stammt aus dem Französischen und bedeutet "machen lassen". Bei diesem Führungsstil hält sich die Führungskraft maximal im Hintergrund.

Merkmale:

  • Passivität: Die Führungskraft nimmt nur minimal Einfluss auf das Gruppengeschehen.
  • Autonomie: Die Gruppe ist auf sich gestellt.

Vorteile:

  • sehr viel Freiraum
  • Führungskraft ist entlastet
  • maximale Förderung der Selbstständigkeit

Nachteile:

  • je nach persönlicher Reife wirkt der Freiraum massiv überfordernd und führt zu Chaos, Aggression und Gruppenzerfall
  • unklare Verantwortlichkeiten

Nach dem Laissez-faire-Stil geführten Gruppen zeigen häufig ein planloses und wenig zielstrebiges Verhalten. Häufig werden Vorschläge unterbreitet, die mangels einer ausreichenden Mehrheit nicht verwirklicht werden. Entsprechend oft machen sich in der Gruppe Enttäuschung und Gereiztheit breit. Die daraus entstehenden Aggressionen entladen sich dann oft auf die Gruppenmitglieder. Die Beziehung der Gruppenmitglieder entwickelt sich nur locker und ist in der Regel instabil. Die Gruppe selbst ist mit der Führungskraft oft unzufrieden. Wenn diese den Raum verlässt, wird meist von einem Gruppenmitglied die Führung übernommen. Dabei kann ein Ansteigen der Arbeitsaktivität beobachtet werden.

Situative Führung

Führung heißt immer, Maßnahmen zu setzen, die zum Erfolg führen. Das bedeutet, dass das Führungsverhalten und der Führungsstil stark situationsabhängig sind. Wenn Wichtel und Wölflinge blind über eine stark befahrene Straße laufen möchten, wirst du vermutlich keine demokratische Abstimmung vorbereiten, sondern laut und deutlich "Stopp!" rufen. In Krisensituationen profitierst du ganz klar vom autoritären Führungsstil. Um die Eigenständigkeit von Caravelles und Explorern sowie Rangern und Rovern zu fördern, wirst du dich wiederum gelegentlich in Laissez-faire-Manier unsichtbar machen - bis sie dich eines Tages nicht mehr brauchen, um als Gruppe zu funktionieren.

Das Patentrezept für gute Führung

... gibt es nicht!

Es gibt aber Anhaltspunkte, die dir helfen, situativ passend zu führen. Diese Anhaltspunkte erschließt du dir am einfachsten durch Kommunikation - sie ist das Herz von Führung. Je besser du die dir anvertrauten Kinder und Jugendlichen und ihre Bedürfnisse kennst, desto besser kannst du wirkungsvolle Führungsmaßnahmen setzen.

Wenn du eine gute Führungskraft bist, weißt du außerdem, dass du nicht alles alleine machen kannst und musst. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Fehlende zeitliche Ressourcen, fehlende Kompetenzen und mehr. Deshalb passiert deine Führungsarbeit im Normalfall in einem Team. Im Team können Herausforderungen leichter gemeistert und Aufgaben sehr oft besser erfüllt werden.

Selbstreflexion und Reflexion, sowie Feedback unterstützen dich dabei, in deiner Rolle als Führungskraft zu wachsen.

Führen – Leiten – Begleiten

Führen – ein schwieriges Wort. Je nachdem wo man hinkommt, spricht man eher von "führen" oder von "leiten", oder aber gar von "begleiten". Aber was bedeutet das nun für unsere Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen?

Beim Leiten geht es um Management, also um Strukturen, Prozesse und Abläufe, aber auch um Teamgeist und Ergebnisorientierung.

Führen im Sinn von Leadership bedeutet anführen, bestimmen, rational entscheiden, eine Richtung und ein Ziel vorgeben. Leadership bei den Pfadfinder*innen hat die Bedeutung von "Anleiten" und nicht "blindem Gehorsam". Dazu musst du einerseits Vorbild sein und andererseits auch Vertrauen aufbauen. Andere erfolgreich wachsen lassen, das ist das Hauptziel des Leadership.

Eins ist klar: Sowohl die Kinder und Jugendlichen, als auch die Erwachsenen in unseren Pfadfinder*innengruppen benötigen beides – Führung und Leitung. Entscheidend ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt wir Erwachsene uns in die Kinder- und Jugenderziehung leitend oder führend einbringen. Dies hängt stark mit der Arbeitsstruktur und den in den einzelnen Altersstufen verwendeten Methoden zusammen.

Die individuelle Rolle eines Bibers in seiner Biberfamilie ist eine andere als die eines Wichtels/Wölflings in seinem Volk/seiner Meute. Diese ist wiederum eine ganz andere als die eines Guides/Spähers, eines Caravelles/Explorers oder eines Rangers/Rovers. Denn als Wichtel und Wölfling lernen und agieren die Kinder oft in der Großgruppe. Je älter sie werden, desto mehr verändern sich diese Beziehungen hin zu stabilen peer-groups oder Interessensgruppen. Parallel dazu verändert sich auch die Rolle der Leiter*innen.

Die Erwachsenen bei den Bibern aber auch bei den Wichteln und Wölflingen sind zentrale Bezugspersonen. Hier sind größtenteils rationale Entscheidungen und Steuerung notwendig – nach der obigen Beschreibung klassische Elemente des Führens. Werden die Gruppen, in denen sich die Kinder und Jugendlichen den Großteil der Zeit bewegen, kleiner, wird der*die Erwachsene mehr und mehr zum Manager. Es geht darum, den Überblick zu behalten, aber auch den Teamgeist zu stärken – alles Leitungsmerkmale.

Stehen bei den Rangern und Rovern die individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt, dann sind die Jugendlichen vorwiegend selbst dafür verantwortlich, in welcher Form sie miteinander arbeiten. Die Erwachsenen begleiten sie dabei und stehen zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden. Wichtig dabei ist aber – wenn es notwendig ist, dann kannst du als "Begleiter*in" auch einmal führend oder leitend eingreifen!

Quellen:

  • Lutz von Rosenstiel, Erika Regnet & Michel Domsch (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern, Stuttgart (Schäffer-Poeschel) 2003.

Weiterführendes: