Fachwissen für LeiterInnen

Aufsichtspflicht, Jugendschutz

Aufsichtspflicht und Jugendschutz [Bearbeiten]

Als Jugendleiter*innen sind wir für die Kinder und Jugendlichen in der Zeit, in der uns die Kinder und Jugendlichen anvertraut werden, verantwortlich. Daher ist es wichtig, dass wir uns mit den Themen Aufsichtspflicht und Jugendschutz auseinandersetzen. Für die Programmgestaltung und die Umsetzung der Pfadfinder*innenmethode bedeutet das, dass die jeweilige Umgebung so sicher wie notwendig zu gestalten ist. Dies aber ohne das Kind in seinen Entwicklungsmöglichkeiten einzuschränken. Dabei muss das Kind oder der*die Jugendliche mehr oder weniger – je nach Alter und Einsichtsfähigkeit – beobachtet werden. Man nennt diese Verpflichtung auch Aufsichtspflicht. Aufsichtspflicht alleine ist aber nur ein Teil der Verantwortung. Diese müssen wir immer im Zusammenhang mit den Jugendschutzgesetzen der Bundesländer sehen. Im ersten Teil dieses Kapitel geht es daher um die Aufsichtspflicht, im zweiten Teil um den Jugendschutz.

Aufsichtspflicht [Bearbeiten]

Was ist die Aufsichtspflicht?

  • Aufsichtspflichtige Personen haben die Verpflichtung, die ihnen zur Aufsicht anvertrauten Kinder und Jugendlichen so zu betreuen und so auf sie Acht zu geben, dass diese selbst nicht zu Schaden kommen und auch keinen anderen Personen Schaden zufügen.
  • Aufsichtspflichtige Personen müssen ständig wissen, wo sich die ihnen zur Aufsicht anvertrauten Minderjährigen befinden und was diese gerade tun. LeiterInnen müssen im Regelfall ihnen anvertraute Kinder jedoch nicht ständig überwachen.
  • Aufsichtspflichtige Personen müssen vorhersehbare Gefahren vorausschauend erkennen und zumutbare Anstrengungen unternehmen, um die ihnen anvertrauten Minderjährigen vor Schäden zu bewahren.
  • Je älter bzw. reifer die Kinder oder Jugendlichen sind, desto mehr geht der Weg hin zur Eigenverantwortung der Jugendlichen. Die Eigenverantwortung von Kindern und Jugendlichen steht der Aufsichtspflicht gegenüber. Die Eigenverantwortung hängt von Alter, Reife und Entwicklungsstand des Kindes bzw. des Jugendlichen ab.
  • Wer Aufsichtspflicht überträgt, ist verantwortlich dafür, dass geeignete Personen mit der Aufsichtspflicht betraut werden und diese entsprechend über besondere Eigenschaften der Kinder und Jugendlichen oder sonstige Umstände informiert sind.

Wer ist aufsichtspflichtig?

  • In erster Linie sind die Eltern der Kinder und Jugendlichen aufsichtspflichtig.
  • Leiter*innen sind als von den Eltern mit der Aufsicht von deren Kindern und Jugendlichen (bis zur Volljährigkeit) Beauftragte aufsichtspflichtig.
  • Auch Minderjährige können aufsichtspflichtig sein (zum Beispiel ein*e minderjährige*r Assistent*in).
  • Maßgeblich ist immer, wer gerade in der konkreten Situation die Aufsichtspflicht übernommen hat.

Wie funktioniert die Aufsichtspflicht?

  • Die Aufsichtspflicht orientiert sich am Alter, der Eigenart des Kindes/Jugendlichen, seiner Reife, am Entwicklungsstand und der Qualität der Gefahrenquelle (konkrete Umfeld).
  • Anforderungen an die Aufsichtsführung ergeben sich auch aus der Gruppengröße. Die Gruppengröße sollte der Erfahrung der Leiter*innen, dem Alter der Kinder und Jugendlichen sowie der Art der Unternehmung angepasst sein. So dürfte ein*e 18-jährige*r Leiter*in mit einer größeren Gruppe von Kindern im Alter von zehn Jahren bei einem Radausflug höchstwahrscheinlich überfordert sein. Da bezüglich der Gruppengröße gesetzlich nichts Konkretes vorgeschrieben ist, kann die "Schulveranstaltungs-Verordnung" des Unterrichtsministeriums (§ 13 Schulunterrichtsgesetz). Orientierungshilfe bieten. Da sich diese Verordnung auf den Schuldienst bezieht, Lehrer*innen normalerweise gut ausgebildet sind und ihre Schüler*innen meistens relativ gut kennen, erscheint es sinnvoll, diese Verordnung als Untergrenze zu betrachten: Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab ergibt sich aus der Frage: Wie hätte ein*e andere*r professionelle*r durchschnittliche*r Betreuer*in in dieser Situation mit diesen Kindern/Jugendlichen gehandelt?
  • Maßgebend für das Maß der Aufsichtspflicht sind also immer die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles. Es gibt keine generalisierende Antwort.

Wie erfülle ich die Aufsichtspflicht?

Für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht lassen sich vier Pflichten unterscheiden, die nicht isoliert zu sehen sind:

  1. Pflicht zur Information:
    Leiter*innen müssen sich vor z.B. einem Ausflug oder Lager über die persönlichen Verhältnisse der Aufsichtspflichtigen informieren (z.B. Behinderungen, Krankheiten, Medikamenteneinnahme, Allergien, Schwimmer*in/Nichtschwimmer*in, sportliche Fähigkeiten etc.)
  2. Pflicht zur Vermeidung von Gefahrenquellen:
    Leiter*innen sind verpflichtet, selbst keine Gefahrenquellen zu schaffen sowie erkannte Gefahrenquellen zu unterbinden, wo ihnen dies selbst auf einfache Art und Weise möglich ist.
  3. Pflicht zur Warnung vor Gefahren:
    Von Gefahrenquellen, auf deren Eintritt oder Bestand Leiter*innen keinen Einfluss haben, sind die Kinder bzw. Jugendlichen entweder fernzuhalten (Verbote), zu warnen oder es sind ihnen Hinweise zum Umgang mit diesen Gefahrenquellen zu geben.
  4. Pflicht, die Aufsicht auszuführen:
    Hinweise, Belehrungen und Verbote werden in den meisten Fällen nicht ausreichen. Leiter*innen haben sich daher stets zu vergewissern, ob diese von den Kindern bzw. Jugendlichen auch verstanden und befolgt werden. Eine ständige Anwesenheit ist nicht notwendig. Leiter*innen müssen aber ständig wissen, wo die Gruppe ist und was die Teilnehmer*innen gerade tun. Hierüber müssen sie sich in regelmäßigen Abständen versichern.

Welche Erziehungsmaßnahmen sind erlaubt?

Wenn Kinder und Jugendliche gegen Vereinbarungen verstoßen, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen du setzten darfst und evtl. auch musst. Natürlich nicht erlaubt (als sogenannte "unerlaubte Erziehungsmittel") ist die Zufügung von körperlichem Leid jeglicher Art (z.B. Ohrfeigen, Stöße) sowie Beschimpfungen – besonders einzelner vor allen anderen. Genauso sind Kollektivstrafen bzw. auch schon deren Androhung unerlaubt. Fernseh- und Ausgehverbot sind gemäß einer oberstgerichtlichen Entscheidung allerdings erlaubt.

Natürlich auch nicht erlaubt ist das Einsperren von Kindern und Jugendlichen in der Nacht, falls sie nicht auf ihren Zimmern bleiben. Unter Umständen wird dies sogar als Freiheitsentziehung zu werten sein. Auch wenn eine*r der Jugendlichen eine*n anderen im Zimmer einsperrt, du als Leiter*in davon weißt, aber nichts dagegen unternimmst, kann das strafbar sein. Strafbar (Aussetzung) wäre es auch, wenn ein*eine Jugendliche*r z.B. auf einen Baum klettert, nun nicht mehr herunterkann und du als Leiter*in ihn*sie absichtlich ein wenig "dunsten" lässt. Nach dem Motto: "Geschieht ihm*ihr nur Recht."

Als zulässige Maßnahmen oder "erlaubte Erziehungsmittel" gelten: Lob, Anerkennung, Ermutigung, Dank, Aufforderung, Zurechtweisung, Erteilen von Aufträgen (wenn es sich dabei um die nachträgliche Erfüllung versäumter Pflichten handelt), beratendes bzw. belehrendes Gespräch mit dem Kind bzw. dem*der Jugendlichen (evtl. unter Beiziehung der Erziehungsberechtigten) – Erziehungsmaßnahmen müssen also immer im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sein. Wenn keine erlaubten Maßnahmen helfen, ist das letzte Mittel, den*die Jugendliche*n – nach Verständigung der Erziehungsberechtigten – nach Hause zu schicken.

Wann und wo endet die Aufsichtspflicht?

  • Die Aufsichtspflicht endet mit der Volljährigkeit (18. Geburtstag).
  • Wenn die Aufsichtspflicht an andere abgegeben wurde und diese entsprechend geeignet, berechtigt und informiert sind.
  • Für deliktische Handlungen wie Sachbeschädigung oder Körperverletzung ist der*die Jugendliche ab 14 Jahren strafrechtlich allein verantwortlich.
  • Eigenverantwortung der Minderjährigen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass damit auch die Verpflichtung endet, gefährliche Verhaltensweisen zu unterlassen oder zu unterbinden. Nach wie vor gilt, dass niemand einem anderen Schaden zufügen darf. An die Stelle der besonderen Aufsichtspflicht tritt das unter Erwachsenen geltende Schadenersatz- bzw. Strafrecht.

Was passiert bei Verletzung der Aufsichtspflicht?

  • Bei der Frage, ob Aufsichtspflichtige ihrer Obsorgepflicht genügt haben, kommt es auf das Alter, die Entwicklung und die Eigenart des Kindes, auf die Voraussehbarkeit eines schädigenden Verhaltens des zu Beaufsichtigenden, auf das Maß der von diesen ausgehenden, dritten Personen drohenden Gefahr sowie darauf an, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann.
  • Werden durch die schuldhafte Vernachlässigung der Aufsichtspflicht fremde Personen oder Sachen beschädigt, können nicht nur gegen den*die betreuende*n Leiter*in, sondern unter Umständen auch gegen den*die Gruppenleiter*in zivilrechtliche Schadenersatzpflichten wie z.B. für Reparatur, Kosten, Schmerzensgeld, Verdienstentgang und Heilungskosten begründet werden.
  • Der aufrechte Bestand einer Unfall– und Haftpflichtversicherung der PPÖ schützt diesfalls vor persönlicher Haftung des*der verantwortliche*n Leiter*in. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Schaden während einer Pfadfinderveranstaltung im Sinne von Verbandsordnung und Satzung der PPÖ eingetreten ist.
  • Im Schadensfall hat der Geschädigte die Vernachlässigung der Obsorge über den*die Jugendliche*n und den Schaden zu beweisen, hingegen der Aufsichtspflichtige seine Schuldlosigkeit.

Jugendschutz [Bearbeiten]

Die Aufgabe des Jugendschutzes ist es, einerseits junge Menschen vor Gefahren für ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu schützen und andererseits ihre Bereitschaft und Fähigkeit, für sich Verantwortung zu übernehmen, zu fördern. Daher geben die Jugendschutzgesetze für Eltern, Erziehungsberechtigte, Aufsichtspersonen und VeranstalterInnen sowie für Kinder und Jugendliche selbst einen rechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen konkrete Vereinbarungen (z.B. Ausgehzeiten, Urlaub, Taschengeld) ausgehandelt werden können.

In Österreich ist der Jugendschutz nicht einheitlich geregelt. Alle neun Bundesländer haben eigene Jugendschutzgesetze, d.h. dass Altersstufen und Ausgehzeiten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können. Für Kinder und Jugendliche gilt immer das Gesetz jenes Bundeslandes, in dem sie sich gerade aufhalten. Der Forderung zahlreicher Jugendschutzorganisationen nach einer Vereinheitlichung haben bisher nur die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland entsprochen und ihre Jugendschutzgesetze aufeinander abgestimmt. Grundsätzlich kann man sagen, dass in Österreich ein Ost-West-Gefälle besteht: "Der Westen ist strenger als der Osten."

Die "Spielregeln" des Jugendschutzes …

  • sagen bis wann und mit welcher Aufsicht Kinder und Jugendliche sich in der Öffentlichkeit, in Gaststätten, bei Veranstaltungen usw. aufhalten dürfen (Ausgehzeiten). Es ist ratsam, dass, wenn du mit Kindern und Jugendlichen auf der Straße oder in Lokalen unterwegs bist, alle immer einen Ausweis dabeihaben, um im Zweifelsfall das Alter nachweisen zu können.
  • stellen Grenzen für Alkohol- und Nikotinkonsum auf. Die Jugendschutzbestimmungen beziehen sich nicht nur auf den Alkohol oder Tabakkonsum in Lokalen o.ä., sondern auch auf Alkohol und Rauchen im Lagerquartier.
  • bestimmen, ob Kinder/Jugendliche ohne Begleitung in Beherbergungsbetrieben und auf Campingplätzen übernachten dürfen (interessant im Zusammenhang mit Lagern!).
  • ordnen an, von welchen Orten sich Kinder und Jugendliche fernzuhalten haben (z.B. Branntweinschenken, Wettbüros, Spielhallen, Nachtlokale, Peepshows, Swinger-Klubs) Diskotheken sind keine Nachtlokale im Sinne der meisten Jugendschutzgesetzte.
  • legen fest, welche Medien, Gegenstände und Dienstleistungen von Kindern und Jugendlichen gemieden werden müssen (gewalt- und aggressionsfördernder Erwerb, Besitz, Verwendung und Veranstaltungsbesuch). Jugendgefährdende Gegenstände sind solche, die Gewalttaten verherrlichen, Menschen diskriminieren oder durch die Darstellung sexueller Handlungen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefährden können. Kinder und Jugendliche dürfen solche Gegenstände nicht besitzen. Als Leiter*in bist du daher verpflichtet, solche Gegenstände in Verwahrung zu nehmen.
    Kinobesuch: Beachte, dass es vorkommen kann, dass in einem Bundesland ein Film für eine andere Altersklasse zugelassen ist als in einem anderen Bundesland. Ab welchem Alter ein Film freigegeben ist, erfährst du im Kino selbst, aus den Kinoprogrammen oder dem Internet. Zusätzlich sollst du beachten, dass der Film zu einer Zeit endet, zu der die Jugendlichen noch allein oder mit einer Aufsichtsperson nach Hause gehen dürfen.
  • regeln das Autostoppen.
  • erlauben bzw. verbieten Tattoos und Piercings und ab wann man Urlaub machen darf ohne die Zustimmung der Erziehungsberechtigten.

Ab dem Tag des 18. Geburtstages ist man volljährig. Die Jugendschutzgesetze finden dann keine Anwendung mehr. Sie gelten aber auch dann nicht, wenn man noch nicht 18 Jahre alt und bereits verheiratet ist; in manchen Bundesländern auch dann nicht mehr, wenn man noch nicht 18 Jahre alt ist, aber bereits seinen Zivil- oder Wehrdienst ableistet.

Zum Wohl der Kinder darfst du als Leiter*in durchaus auch ein strengeres Maß ansetzen, als von den Gesetzen vorgegeben. Sie sind nur dazu da, wo Erwachsene ihrer Pflicht nicht nachkommen. Wenn du dich als Aufsichtsperson nicht an die Bestimmungen hältst, musst du mit einer Strafe rechnen. Bei Verstößen gegen die Jugendschutzgesetze sind für Erwachsenen Geld- und sogar Freiheitsstrafen, für Jugendliche verpflichtende Beratungsgespräche und unter Umständen auch Geldstrafen vorgesehen. Du solltest dich unbedingt mit der Rechtslage in deinem Bundesland und vor Lagern mit den Bestimmungen in eurem "Zielbundesland" vertraut machen. Die Jugendinfo des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit und Generationen hat dafür die Broschüre "Jungendschutz in Österreich" herausgegeben, in der alle Detailregelungen übersichtlich und vergleichend dargestellt werden. Unter www.jugendinfo.at gibt es sie zum Download. Ebenso haben fast alle Landesjugendreferate bzw. deren Infostellen für ihr Bundesland ein vergleichbares Handout erstellt oder geben gerne persönlich Auskunft.

Quelle

  • Hintergrundinfo "Gesetzlicher Rahmen" der PPÖ

Weiterführendes