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Gruppenentwicklung

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Geändert: 29. April 2021, 14:59   Nutzer/in: Brigitte Stockinger-Hofer  → Nutzerbild von Brigitte Stockinger-Hofer

Gruppenentwicklung

Jede Gruppe (ab drei Personen) durchläuft nach ihrer Bildung einen Prozess, der sie zur Arbeitsfähigkeit bringt. Du bist selbst Teil vieler Gruppen – im Beruf, deiner Ausbildung, deiner Familie, im Freundeskreis und bei den Pfadfinder*innen, bist du selbst Teil solcher Gruppen. Natürlich gilt das auch für deine Kinder und Jugendlichen bei den Pfadfinder*innen. Zur Beschreibung solcher Prozesse gibt es verschiedene sogenannte "Gruppenentwicklungsmodelle", zum Beispiel das Modell der "Gruppenentwicklung nach Tuckman". Dieses Modell kann es dir leichter machen, den jeweiligen Zustand der Gruppe von Kindern oder Jugendlichen bzw. auch des Teams zu verstehen. Jedes Gruppenentwicklungsmodell ist, wie der Name schon sagt, ein Modell – eine Annäherung an die Realität.

Gruppenentwicklung nach Tuckman

Dieses Modell wurde 1965 vom US-Amerikaner Bruce Tuckman entwickelt. Es sagt einiges über die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe aus. Hier wird der Gruppenentwicklungsprozess in fünf Phasen gegliedert: Forming – Storming – Norming – Performing – Adjourning.

Gruppenentwicklung nach Tuckman

Forming (Orientierungs- oder Formierungsphase)

In dieser Phase stehen das Kennenlernen und die ersten Annäherungen im Vordergrund. Die Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern sind förmlich und unpersönlich. Fragen, die in dieser Phase immer wieder auftauchen, sind:

  • Wer sind die anderen, was wollen sie?
  • Was gilt hier?
  • Wer darf hier was?
  • Was darf ich?
  • Was wird hier möglich sein, wessen Ziele gelten?
  • Werde ich auf meine Kosten kommen?
  • Was ist das für eine Person?
  • Wie kompetent ist er oder sie?
  • Werde ich bekommen was ich brauche?
  • Was habe ich zu tun, damit ich angenommen werde?
  • Wird es hier gerecht zugehen?

Die Mitglieder versuchen zunächst, sich gegenseitig kennenzulernen. Sie probieren bestimmte Verhaltensweisen aus und orientieren sich über die vorliegenden Aufgaben, sowie über mögliche Wege der Zielerreichung. In dieser Phase richten sie sich nach den üblichen Verhaltensregeln. Die Kommunikation ist hier eher förmlich, sie begrüßen sich freundlich, sprechen über das Wetter und berichten vom letzten Urlaub. Diese Phase ist oft durch Verhaltensunsicherheit, aber auch durch Neugier und Vorfreude gekennzeichnet.

Storming (Sturm- oder Konfliktphase)

In dieser Phase kommt es auf Grund verschiedener Vorstellungen, Bedürfnisse, Werthaltungen etc. der Gruppenmitglieder zu Meinungsverschiedenheiten, Konflikten und Auseinandersetzungen. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ist noch nicht vorhanden. Die Klärung der gegensätzlichen Standpunkte ist unerlässlich, um in die nächste Phase eintreten zu können.

Die Gruppenmitglieder gehen aus sich heraus, suchen nach Gleichgesinnten, gehen zu Nicht-Gleichgesinnten auf Distanz. Manchmal führt diese Phase bereits zur Auflösung der Gruppe. Manche Gruppenmitglieder scheuen vor einer offenen Auseinandersetzung mit anderen Personen zurück. Andere probieren vielleicht, heimlich ihr Ziel zu erreichen oder durch Zusammenarbeit mit anderen ihre Meinung durchzusetzen.

Es bilden sich kleine Gruppen mit wenigen Personen (Cliquen, Peer Groups). Eine offene und möglichst faire Auseinandersetzung zur Klärung gegenseitiger Standpunkte ist in dieser Phase unerlässlich, um in die nächstfolgende Phase eintreten zu können. Gelingt dies nicht, weil man eine persönliche Konfrontation scheut, verharrt die Gruppe mehr oder weniger in dieser Phase.

Norming (Integrations – oder Normierungsphase)

Die einzelnen Positionen innerhalb der Gruppe sind geklärt, Harmonie und das Streben nach Gemeinsamkeit treten in den Vordergrund. Gemeinsame Ziele werden definiert, die Aktivitäten koordiniert, es entstehen Gruppennormen und es entwickeln sich Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl. Bei den Gruppennormen handelt es sich um ungeschriebene Gesetze, die einerseits die interne Organisation regeln (z.B. wer hat welche Aufgabe in der Gruppe), andererseits aber auch festlegen, welche Meinungen, Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen eine Person aufweisen muss, damit sie als Gruppenmitglied anerkannt wird. Die Einhaltung dieser Normen wird von der Gruppe kontrolliert und sanktioniert. Es entwickelt sich ein Bild von der Gruppe (Gruppen-Identität) und ein Gemeinschaftsgefühl (Wir-Gefühl), das heißt die Mitglieder der Gruppe erleben sich als Team. Das gemeinsame Festlegen von Zielen und die Regelung der Aktivitäten führen dazu, dass sich die Mitglieder damit tatsächlich identifizieren.

Performing (Arbeitsphase)

Nach der erfolgreichen Bewältigung der Normierungsphase ist das Team nun in der Lage, anstehende Aufgaben gemeinsam in Angriff zu nehmen. Man hält zusammen, hilft sich gegenseitig und es erfolgt ein offener Austausch von Informationen auf der Basis gegenseitigen Vertrauens. Im Laufe der Zeit festigen sich dann im Allgemeinen bestimmte Strukturen und Abläufe innerhalb der Gruppe, wie z.B. Rollenstruktur oder Kommunikationsstruktur. Interaktionen zwischen den Gruppenmitgliedern laufen routinemäßig nach den nun bekannten Mustern ab, die Gruppe konzentriert sich auf das gemeinsame Ziel.

Adjourning (Auflösungsphase)

Die Aufgabe, das heißt der Zweck des Bestehens der Gruppe, ist erfüllt und die Gruppe "zerfällt", da die sozialen Gruppenbeziehungen wieder gelockert werden. Bei erfolgreichen Gruppen stellt sich unter Umständen Trauer über die Beendigung ein.

Wenn ein oder mehrere neue Teammitglieder dazu stoßen oder die Gruppe verlassen, kehrt die Gruppe wieder in die Stormingphase zurück und die Klärung startet erneut.

Warum ist das für dich wichtig?

Eine Gruppe braucht eine gute Basis für die Zusammenarbeit. Miteinander tun bringt die Gruppenmitglieder zusammen und sie lernen sich besser kennen. In dieser Phase kannst du die Gruppe besonders unterstützen, indem du zum Beispiel gruppendynamische Übungen anleitest. Gemeinsame Regeln, welche sich die Gruppenmitglieder miteinander ausgemacht haben, helfen der Gruppe ebenfalls. Wichtig ist, dass jedes Gruppenmitglied seinen Platz in dieser Gemeinschaft findet, damit es seine Fähigkeiten und Fertigkeiten auch einbringen kann. Solange nicht alle ihren Platz gefunden haben, kann es zu Konflikten innerhalb der Gruppe kommen. Dann kann es sein, dass sich auch ein gut vorbereitetes Programm nicht umsetzen lässt. Erst wenn alles geklärt ist, beginnt die Gruppe gemeinsam Aufgaben zu erledigen und auf gemeinsame Ziele hinzuarbeiten.

Wenn du also dieses Gruppenentwicklungsmodell in deiner Arbeit mit den Kindern oder Jugendlichen im Hinterkopf behältst, wirst du vielleicht leichter verstehen, womit die Gruppe gerade wirklich beschäftigt ist und so besser abschätzen können, wie du sie unterstützen kannst.

Quelle

  • Bruce W. Tuckman: Developmental sequence in small groups. In: Psychological Bulletin. 63, 1965
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